Mitgliederorientierung und -bindung

Was bedeutet Mitgliederorientierung?
Mitgliederorientierung bedeutet, die Mitglieder unserer Kirche in ihrer Unterschiedlichkeit wahrzunehmen, ihre Bedürfnisse einzubeziehen und ihnen eine persönliche Relevanz von Kirche und Glaube aufzuzeigen. Dazu zählt auch, verschiedene Formen der Beteiligung an Kirche (Finanzieren, Mitarbeiten, Verkündigen, Teilnehmen) zu akzeptieren und sie nicht zu bewerten.

Betrachtet man die beiden Bestandteile des Worts „Mitgliederorientierung“, so erkennt man zwei Ebenen:
1. Orientierung an Mitgliedern: Kirchenmitglieder sind heute so verschieden wie nie zuvor. Sie haben unterschiedliche Lebenswelten (Einstellungen, Lebensmodelle, Interessen etc.) und sind auf unterschiedlichen Kanälen erreichbar (analog, digital). Diese Vielfalt gilt es wahrzunehmen und wertzuschätzen. Genauso wie die unterschiedlichen Formen von Beteiligung (Finanzieren, Mitarbeiten, Verkündigen, Teilnehmen).
2. Orientierung für Mitglieder: Viele Mitglieder wissen nicht, wofür Kirche steht und wie diese ihre Einnahmen einsetzt. Es gilt also, Gott, Glaube, Kirche zu erklären – auf eine verständliche Weise. Dazu zählen Transparenz und Offenheit für Nachfragen. Nur, wenn Mitglieder Kirche verstehen, können sie eine Beziehung zu ihr aufbauen und sind willens, sich langfristig zu beteiligen.

Die Vielfalt der Mitglieder wird also gesehen. Denn ein Leib hat unterschiedliche Glieder, die im ersten Moment nichts gemein haben; aber schaut man jedes einzelne Glied an, erkennt man seine Funktion und dessen Wichtigkeit für den Leib: „So wie unser Leib aus vielen Gliedern besteht und diese Glieder einen Leib bilden, so ist es auch bei Christus: Sein Leib, die Gemeinde, besteht aus vielen Gliedern und ist doch ein einziger Leib.“ (1. Korinther 12, 12)


Wer sind „die Mitglieder“?
Offiziell sind Kirchenmitglieder all jene Menschen, die getauft und amtlich als evangelisches Kirchenmitglied registriert sind.  Durch die amtliche Eintragung zahlen sie – sofern sie ein Einkommen haben und nicht steuerbefreit sind – Kirchensteuer und ermöglichen damit, dass das Evangelium in Wort und Tat wirken kann. Bei Mitgliederorientierung geht es darum, alle „offiziellen Mitglieder“ wahrzunehmen und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Dabei darf auch die Strahlkraft nicht vergessen werden, die von Mitgliedern ausgeht und die über Kirche an sich hinaus reicht.

„Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Matthäus 28,19-20)

Missionen sind Wegweiser; sie dienen zur Orientierung und als Richtung für das tägliche Wirken. Mit der Mission aus dem Matthäusevangelium hat Kirche ihren Wegweiser vor Jahrtausenden erhalten: allen Menschen vom Evangelium erzählen, ihnen die Chance geben, sich mit dem christlichen Glauben zu befassen, und letztlich sie zu einer Beteiligung an Kirche motivieren. Denn Kirche – das ist ein Zusammenschluss von Menschen, die getauft sind und sich an den Taten und Worten Jesu Christi orientieren.
Mitglieder sind demnach Menschen, für die Gott, Glaube, Kirche eine Bedeutung hat. Es sind Menschen, die sowohl eine Verbindung zu Kirche haben als auch im täglichen Leben auf Personen treffen, die keine Kenntnis von Kirche oder dem christlichen Glauben haben. Es sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die durch ihre Worte und Taten die christliche Botschaft weitergeben.


Wozu Mitgliederorientierung?
In Deutschland gibt es etwa 19 Millionen Menschen evangelische Kirchenmitglieder, in unserer Landeskirche sind es 597.000 (Stand: Juli 2024). Allerdings sinken die Mitgliederzahlen jährlich und die Beteiligung an Kirche nimmt ab. Mitgliedschaft und Engagement in der Kirche sind eben keine Selbstverständlichkeit. Der Kreis derer, die sich aktiv am Gemeindeleben beteiligen, macht nur einen kleinen Teil aller Kirchenmitglieder aus: Etwa 7 Prozent der Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich in der Kirche, zwischen 10 und 20 Prozent fühlen sich ihr eng verbunden. Das bedeutet im Umkehrschluss: 80 bis 90 Prozent der Kirchenmitglieder sehen sich als nicht oder kaum verbunden. Sie halten (noch) an der Mitgliedschaft fest, treten aber in der Gemeinde nicht in Erscheinung; weder haben sie ein Ehrenamt noch nehmen sie regelmäßig an kirchlichen Angeboten teil. Es ist kein oder kaum Kontakt vorhanden. Infolgedessen richten Gemeindeleitungen vielerorts ihre Angebote sowie ihre Kommunikation an den Bedürfnissen der „bekannten“ Mitglieder aus.

Der fehlende Kontakt wirkt sich negativ auf die Beziehung der Mitglieder zu ihrer Kirche aus. Mitglieder entfremden sich, die Wirkung von Kirche und deren Nutzen ist ihnen nicht präsent. Kommen sie an einen Lebenspunkt, der mit finanziellen Änderungen einhergeht (z.B. Eintritt in den Beruf oder Wegfall der Kinderfreibeträge), wägen sie den Nutzen der Kirche gegen die Höhe der zu zahlenden Kirchensteuern ab. Ist der Nutzen in diesem Moment nicht abrufbar, kann Kirche nicht punkten; der Austritt ist die logische Folge.

Die Zahl der Kirchenmitglieder ist seit Jahren rückläufig. Die Projektion der Freiburger Studie zeigt, dass sich die Mitgliederzahl der evangelischen Kirche bis zum Jahr 2060 in etwa halbieren könnte. Für den Verlust sind zum großen Teil Austritte verantwortlich. Vor allem junge Menschen, die am Beginn des Berufslebens stehen, treten vermehrt aus der Kirche aus. Die Kurve der Austritte erreicht bei 27 Jahren ihren Höhepunkt, bis zum 31. Lebensjahr tritt fast ein Viertel der getauften Männer und Frauen aus der evangelischen Kirche aus. Dies wird perspektivisch erhebliche Kirchensteuereinbrüche nach sich ziehen, die wiederum zu Einsparungen bei Personal und Angeboten führen. Hinzu kommt der Verlust von nachfolgenden Generationen, die – da die Eltern keine Beziehung zur Kirche haben – nicht getauft werden. Auch die Erreichbarkeit der Menschen wird erschwert, da keine persönliche Kontaktaufnahme via Post möglich ist. Die Reichweite der christlichen Botschaft, die sich in Wort und Tat zeigt, nimmt ab.


Wie erreicht man „alle“ Mitglieder?
„Alle“ wahrzunehmen bedeutet nicht, „alle“ mit einer Maßnahme zu erreichen. Denn das ist kaum möglich; die Maßnahme würde der Vielfalt der Mitglieder nicht gerecht werden. Das gilt für Angebote ebenso wie für die Kommunikation. Deshalb liegt der Schwerpunkt auf Mitgliederkommunikation.  Die Kommunikationsmaßnahmen sind auf die Kirchenmitglieder ausgerichtet.

Da nicht alle 597.000 Kirchenmitglieder in unserer Landeskirche einzeln angesprochen werden können, entwickeln wir thematische, an biografischen Ereignissen anknüpfende Kommunikationsmaßnahmen, wie den Glückwunsch an die Eltern zur Geburt ihres Kindes, die Einladung zur Taufe oder die Möglichkeit zum Praktikum in einer diakonischen oder kirchlichen Einrichtung.